Brennnessel
Bild Brennnessel: Andrii Zastrozhnov/stock.adobe.com
Die Brennnessel – alles andere als ein “Unkraut”
Jeder kennt sie, die meisten meiden sie. Zu Unrecht, denn hinter den brennenden Härchen verbirgt sich eine wahre Wunderpflanze. Schon Hildegard von Bingen wusste um die Heilkraft der Brennnessel und setzte sie zur Behandlung verschiedener Leiden ein. Heute erlebt die Brennnessel eine Renaissance und wird wiederentdeckt als wertvolles Heilkraut und nährstoffreiches Lebensmittel. Lasse uns gemeinsam in die Welt dieser faszinierenden Pflanze eintauchen!
Zuerst ganz kurz etwas Theorie:
Die Gattung der Brennnesseln (Urtica) aus der Familie der rosenartigen Brennnesselgewächse (Urticaceae) umfasst etwa 45 Arten. Die weiteste Verbreitung in Mittel-, Nord- und Osteuropa aber auch im Norden Asiens und Amerikas erfahren davon die Große Brennnessel (Urtica dioica) sowie die Kleine Brennnessel (Urtica urens).
Ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden besteht darin, dass die Kleine Brennnessel einhäusig (Monözie) und die Große Brennnessel zweihäusig (Diözie) ist. Das heißt, bei Urtica urens sind männliche und weibliche Blüten auf einer Pflanze vertreten und bei Urtica dioica getrennt auf zwei unterschiedlichen Pflanzen. Außerdem wirken die Brennhaare der Kleinen Brennnessel erheblich effektiver als diejenigen der großen Art. Ansonsten weisen beide Vertreterinnen ein recht ähnliches Profil der Zusammensetzung auf, womit sie außer zur Gewinnung von Fasern prinzipiell in gleicher Weise genutzt werden können. Zu Tee, Pulver und Extrakt wird aber im Wesentlichen – wohl aufgrund des ungleich höheren Ertrages – nur die Große Brennnessel verarbeitet, was die Verwendung als Gemüse einschließt.
Merkmale der Brennnessel
Die Brennnessel ist an Wegen, Böschungen, Flussufern, im Garten, an Waldrändern und auf Wiesen quasi allgegenwärtig. Ein Jäten ist im Falle der Großen Brennnessel eher unwirksam, da dabei ihr weit verzweigtes Wurzelwerk weitgehend im Erdreich verbleibt und dafür sorgt, dass schnell wieder junge Triebe empor sprießen. Sie können die widerstandsfähige Pflanze mit einer Blütezeit zwischen Juli und Oktober auf über anderthalb Meter anwachsen lassen. Gewöhnlich bleibt die Wuchshöhe aber unter einem Meter. Mit ihren markanten, gezackten Blättern erinnert die Brennnessel an Taubnesseln (Lamium) aber auch an Minze (Mentha). Die letzten beiden verfügen freilich nicht über die eigentümliche Behaarung hauptsächlich auf der Oberseite der Brennnesselblätter.
Bild Brennnesseltee: Hetizia/stock.adobe.com
Warum “brennt” die Brennnessel eigentlich?
Diese Härchen sind es, die bei Berührung das schmerzhafte Brennen sowie die darauffolgenden Schwellungen verursachen. Sie bestehen aus einer kleinen Röhre, die aus dem Blatt ragt und einer äußerst zerbrechlichen sowie scharfen Spitze aus verhärteter Kieselsäure. Die Röhrchen sind zum Bersten gefüllt mit einem Cocktail aus Acetylcholin, Ameisensäure, Histamin, Serotonin und Natriumformiat, dem Salz der Ameisensäure. Häufig wird diese doch recht harmlose Zusammensetzung als Nesselgift bezeichnet, womit eine Verwechslungsgefahr zu manchmal äußerst gefährlichen Nesselgiften besteht, die beispielsweise von Quallen abgesondert werden.
Die Kieselsäure-Spitzen der Brennnessel sind so zerbrechlich, dass die kleinste Berührung ausreicht, sie zum Splittern zu bringen. Dabei verletzen sie die obere Haut sehr leicht aber doch so, dass das herausspritzende Brennnessel-Sekret ungehindert eindringen kann. Die Reaktion erfolgt in Bruchteilen einer Sekunde: Die Ameisensäure wirkt ätzend und der Entzündungsbotenstoff Histamin setzt Schwellungen in Gang und löst einen Juckreiz aus. Das Gewebshormon Serotonin aktiviert das Schmerzempfinden, während Acetylcholin, ein weiterer Neurotransmitter, der auch im Hornissengift vorkommt, als Schmerzverstärker wirkt. Zum brennenden Jucken kommen Quaddeln, die über Tage erhalten bleiben können. So stellt das Brennnessel-Sekret einen wirksamen Selbstschutz der Pflanze gegen Fressfeinde dar, ist jedoch für den Menschen zwar unangenehm aber mit keiner ernsthaften Gesundheitsgefährdung verbunden.
In unmittelbarer Nähe zur Brennnessel wachsen übrigens häufig Ampfern. Ihre zerdrückten Blätter können gegen die Folgen des Brennnessel-Sekretes etwas Linderung verschaffen.
Umgang mit Brennnesseln
Oft wird empfohlen, die Pflanze in Bodennähe am Stängel zu fassen, sodass nur die Unterseiten der Blätter berührt werden. Das kann funktionieren, muss aber nicht, da auch diese Bereiche der Brennnessel nicht ganz frei von Brennhärchen sein können und ein Abrutschen nie ausgeschlossen ist. Besser hingegen ist es zum Pflücken gleich robuste Gartenhandschuhe anzuziehen und auch auf eine dicht abschließende Bekleidung einschließlich fester Schuhe zu achten. Dabei ist es günstiger die Pflanze inklusive Stängel abzuschneiden als nur die Blättchen abzupfen. Je nach Verwendungszweck können die Stängel dann später entfernt werden.
Die Brennhärchen lassen sich entschärfen, indem die Blättchen zwischen zwei Tüchern gelegt werden, auf die durch ein Nudelholz ein leichter Druck stattfindet. Werden die Brennnesseln durch Erhitzen weiterverarbeitet, ist dieser Schritt nicht erforderlich.
Nutzung und Anwendung der Brennnessel
Die Nutzung der Brennnessel geht gewiss auf die Anfangstage der Menschheit zurück. Kunde davon tun zahlreiche Mythen, in denen der Genuss der Pflanze eine Rolle bei der Abwehr von Geistgestalten und der Sicherung einer guten Zukunft spielt. Auch findet die Brennnessel bereits in der Medizin der Antike beispielsweise als Mittel zur Blutreinigung bei Hippokrates von Kos im fünften vorchristlichen Jahrhundert ebenso Erwähnung wie in der mittelalterlichen Heilkunde unter anderem bei Hildegard von Bingen. Sie empfahl das Gewächs neben anderen Anwendungen als Mittel gegen rheumatische Beschwerden.
Aufgrund ihres weiten Verbreitungsgebietes ist die Brennnessel außerdem der traditionellen chinesischen Medizin (TCM), der tibetischen Heilkunde, der indischen Gesundheitskunde Ayurveda sowie der Heilkunde indianischer Völker in Nordamerika bekannt.
Bild Brennnesselsuppe: Hetizia/stock.adobe.com
Inhaltsstoffe der Brennnessel
Phytosterine – hier als beta-Sitosterin – gehören auch zu den Inhaltsstoffen der Brennnesselblätter. Bekannt ist beta-Sitosterin als Zusatzstoff bei Margarinen und Milchprodukten, in denen sie sich in einem bisher nicht ganz geklärten Prozess günstig auf den Cholesterinspiegel auswirken sollen. Außerdem können die Blätter bis zu zwei Prozent Flavonoide enthalten, darunter auch Quercetin. Dazu kommen bedingt durch die Kieselsäure ein bis vier Prozent Silikate.
Als weitere Mineralstoffe sind nach dem Bundeslebensmittelschlüssel 3.02 unter anderem enthalten:
-Calcium (475 mg) -Eisen (4,12 mg) -Kalium (475 mg) -Magnesium (80 mg) -Mangan (1.260 Mikrogramm) -Schwefel (40.000 Mikrogramm)
Dazu kommen pro 100 Gramm außerdem noch:
- 400 Mikrogramm Vitamin A als Retinoläquivalent und 2.400 Mikrogramm beta-Carotin (Provitamin A)
- Vitamin B1, B2, B5 und B6 in Konzentrationen zwischen 0,15 und 0,30 Milligramm
- über 3.500 Mikrogramm Niacinäquivalent (B3)
- etwa 30 bis 50 Mikrogramm Biotin (B7) und Folsäure (B9)
- bis zu 330 Milligramm Vitamin C
- 0,80 Milligramm Vitamin E als alpha-Tocopherol.
Bemerkenswert ist auch der hohe Proteingehalt, der sieben Prozent oder 30 Prozent der Trockenmasse deutlich übersteigen kann. Das Protein wird aus allen proteinogenen Aminosäuren gebildet. Essentielle Aminosäuren können rund drei Gramm je 100 Gramm ausmachen.
Brennnesseln im Garten
Beliebt ist die Verwendung von Brennnesseln auch im Garten. Die vielleicht leicht gehäckselten Pflanzen geben bei einer Kaltwasser-Extraktion innerhalb eines Tages ihre Kieselsäure frei. Das Mittel kann zur Pflanzenstärkung und zum Schutz vor vielen Schadinsekten verwendet werden.
Wird eine Brennnessel-Wasser-Mischung im Verhältnis von eins zu zehn an einem warmen Ort platziert, kommt es zu einer Gärung, durch die nach ein bis zwei Wochen eine Jauche entsteht, die auch als Dünger eingesetzt wird. Außerdem kann durch die Üppigkeit des Brennnessel-Wachstums auf den Stickstoffgehalt im Boden und damit aus seine Beschaffenheit geschlossen werden.
Risiken beim Verzehr von Brennnesseln
Ein weiterer Inhaltsstoff der Brennnessel ist das Cumarin Scopoletin. Cumarine sind einerseits äußerst angenehm duftende, aromatische sekundäre Pflanzenstoffe, andererseits jedoch in größeren Mengen verzehrt mit Gesundheitsrisiken verbunden. Sie sind übrigens auch im Waldmeister (Galium odoratum) enthalten und tragen wesentlich zum Charakter der Maibowle bei.
Weitere kritische Stoffe in der Brennnessel sind Pyrrolizidinalkaloide. Sie können wiederum in größeren Mengen und regelmäßig eingenommen zu Leberschäden führen. Bei beiden Stoffen gilt, dass die Konzentrationen in der frischen Brennnessel zu gering sind, als dass beim Verzehr realistischer Mengen Schäden auftreten könnten. Auch getrocknete Brennnesselblätter gelten als unbedenklich, wenn nicht mehr als etwa 12 Gramm täglich verwendet werden. Lediglich Personen deren Herz- und Nierentätigkeit mit Ödemen als Folge eingeschränkt ist, sollten auf die Verwendung von Brennnesseln verzichten.
Die Heilpflanze des Jahres 1996 und 2022!
Die Brennnessel ist übrigens gleich zwei mal zur Heilpflanze des Jahres gewählt worden! 1996 und 2022. Hier haben wir alle bisher gekürten Heilpflanzen des Jahres aufgelistet.
Frank Schneider
Frank hat schon zu Studienzeiten seine Begeisterung für die Natur entdeckt. Anfang der 2000er Jahre ist er seiner Leidenschaft gefolgt und hat mit Krautrausch als Gründer einen der ersten Online-Shops für Kräuter und Gewürze in Deutschland aufgebaut. Als Experte auf diesem Gebiet schreibt er mit großer Freude für unser Kräutermagazin.