Brennnessel-Pflanze mit Samen
Brennnessel-Pflanze mit Samen [ThKatz/stock.adobe.com]

Die Brennnessel – alles andere als ein “Unkraut”

Jeder kennt sie und so manch einer hat schon schmerzhafte Bekanntschaft mit ihr gemacht. Warum brennt die Brennnessel überhaupt? Und dann soll sie angeblich auch noch gesund sein und als Lebensmittel dienen?

Zuerst ganz kurz etwas Theorie:

Die Gattung der Brennnesseln (Urtica) aus der Familie der rosenartigen Brennnesselgewächse (Urticaceae) umfasst etwa 45 Arten. Die weiteste Verbreitung in Mittel-, Nord- und Osteuropa aber auch im Norden Asiens und Amerikas erfahren davon die Große Brennnessel (Urtica dioica) sowie die Kleine Brennnessel (Urtica urens).

Ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden besteht darin, dass die Kleine Brennnessel einhäusig (Monözie) und die Große Brennnessel zweihäusig (Diözie) ist. Das heißt, bei Urtica urens sind männliche und weibliche Blüten auf einer Pflanze vertreten und bei Urtica dioica getrennt auf zwei unterschiedlichen Pflanzen. Außerdem wirken die Brennhaare der Kleinen Brennnessel erheblich effektiver als diejenigen der großen Art. Ansonsten weisen beide Vertreterinnen ein recht ähnliches Profil der Zusammensetzung auf, womit sie außer zur Gewinnung von Fasern prinzipiell in gleicher Weise genutzt werden können. Zu Tee, Pulver und Extrakt wird aber im Wesentlichen – wohl aufgrund des ungleich höheren Ertrages – nur die Große Brennnessel verarbeitet, was die Verwendung als Gemüse einschließt.

Merkmale der Brennnessel

Die Brennnessel ist an Wegen, Böschungen, Flussufern, im Garten, an Waldrändern und auf Wiesen quasi allgegenwärtig. Ein Jäten ist im Falle der Großen Brennnessel eher unwirksam, da dabei ihr weit verzweigtes Wurzelwerk weitgehend im Erdreich verbleibt und dafür sorgt, dass schnell wieder junge Triebe empor sprießen. Sie können die widerstandsfähige Pflanze mit einer Blütezeit zwischen Juli und Oktober auf über anderthalb Meter anwachsen lassen. Gewöhnlich bleibt die Wuchshöhe aber unter einem Meter. Mit ihren markanten, gezackten Blättern erinnert die Brennnessel an Taubnesseln (Lamium) aber auch an Minze (Mentha). Die letzten beiden verfügen freilich nicht über die eigentümliche Behaarung hauptsächlich auf der Oberseite der Brennnesselblätter.

Warum “brennt” die Brennnessel eigentlich?

Diese Härchen sind es, die bei Berührung das schmerzhafte Brennen sowie die darauffolgenden Schwellungen verursachen. Sie bestehen aus einer kleinen Röhre, die aus dem Blatt ragt und einer äußerst zerbrechlichen sowie scharfen Spitze aus verhärteter Kieselsäure. Die Röhrchen sind zum Bersten gefüllt mit einem Cocktail aus Acetylcholin, Ameisensäure, Histamin, Serotonin und Natriumformiat, dem Salz der Ameisensäure. Häufig wird diese doch recht harmlose Zusammensetzung als Nesselgift bezeichnet, womit eine Verwechslungsgefahr zu manchmal äußerst gefährlichen Nesselgiften besteht, die beispielsweise von Quallen abgesondert werden.

Brennnesseltee
Brennnesseltee

Die Kieselsäure-Spitzen der Brennnessel sind so zerbrechlich, dass die kleinste Berührung ausreicht, sie zum Splittern zu bringen. Dabei verletzen sie die obere Haut sehr leicht aber doch so, dass das herausspritzende Brennnessel-Sekret ungehindert eindringen kann. Die Reaktion erfolgt in Bruchteilen einer Sekunde: Die Ameisensäure wirkt ätzend und der Entzündungsbotenstoff Histamin setzt Schwellungen in Gang und löst einen Juckreiz aus. Das Gewebshormon Serotonin aktiviert das Schmerzempfinden, während Acetylcholin, ein weiterer Neurotransmitter, der auch im Hornissengift vorkommt, als Schmerzverstärker wirkt. Zum brennenden Jucken kommen Quaddeln, die über Tage erhalten bleiben können. So stellt das Brennnessel-Sekret einen wirksamen Selbstschutz der Pflanze gegen Fressfeinde dar, ist jedoch für den Menschen zwar unangenehm aber mit keiner ernsthaften Gesundheitsgefährdung verbunden.

In unmittelbarer Nähe zur Brennnessel wachsen übrigens häufig Ampfern. Ihre zerdrückten Blätter können gegen die Folgen des Brennnessel-Sekretes etwas Linderung verschaffen.

Umgang mit Brennnesseln

Oft wird empfohlen, die Pflanze in Bodennähe am Stängel zu fassen, sodass nur die Unterseiten der Blätter berührt werden. Das kann funktionieren, muss aber nicht, da auch diese Bereiche der Brennnessel nicht ganz frei von Brennhärchen sein können und ein Abrutschen nie ausgeschlossen ist. Besser hingegen ist es zum Pflücken gleich robuste Gartenhandschuhe anzuziehen und auch auf eine dicht abschließende Bekleidung einschließlich fester Schuhe zu achten. Dabei ist es günstiger die Pflanze inklusive Stängel abzuschneiden als nur die Blättchen abzupfen. Je nach Verwendungszweck können die Stängel dann später entfernt werden.

Die Brennhärchen lassen sich entschärfen, indem die Blättchen zwischen zwei Tüchern gelegt werden, auf die durch ein Nudelholz ein leichter Druck stattfindet. Werden die Brennnesseln durch Erhitzen weiterverarbeitet, ist dieser Schritt nicht erforderlich.

Nutzung und Anwendung der Brennnessel

Die Nutzung der Brennnessel geht gewiss auf die Anfangstage der Menschheit zurück. Kunde davon tun zahlreiche Mythen, in denen der Genuss der Pflanze eine Rolle bei der Abwehr von Geistgestalten und der Sicherung einer guten Zukunft spielt. Auch findet die Brennnessel bereits in der Medizin der Antike beispielsweise als Mittel zur Blutreinigung bei Hippokrates von Kos im fünften vorchristlichen Jahrhundert ebenso Erwähnung wie in der mittelalterlichen Heilkunde unter anderem bei Hildegard von Bingen. Sie empfahl das Gewächs neben anderen Anwendungen als Mittel gegen rheumatische Beschwerden.

Aufgrund ihres weiten Verbreitungsgebietes ist die Brennnessel außerdem der traditionellen chinesischen Medizin (TCM), der tibetischen Heilkunde, der indischen Gesundheitskunde Ayurveda sowie der Heilkunde indianischer Völker in Nordamerika bekannt.

Gesundheit und Wohlbefinden

Bis heute gehört die Brennnessel zu den am häufigsten verwendeten Arzneimittelpflanzen. Ihre Extrakte aus Blättern und Wurzeln sind in deutlich mehr als 100 Präparaten zu finden. Dazu kommt eine erhebliche Anzahl an Tees und Teemischungen, die vollständig oder teilweise aus getrockneten Brennnesselblättern bestehen. Darüber hinaus werden die getrockneten Blätter immer häufiger auch zu einem Pulver verarbeitet, das Getränken aber auch Suppen und Soßen zugesetzt werden kann.

Unter anderem die Sachverständigenkommission des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), die sogenannte Kommission E, bestätigt hier die Beobachtungen der Hildegard von Bingen und empfiehlt Brennnesselblätter zur therapeutischen Unterstützung bei rheumatischen Beschwerden sowie bestimmten Formen der Harnwegsentzündung. Bezüglich der Wurzeln hält die Kommission E eine unterstützende Behandlung bei Prostatabeschwerden für sinnvoll.

Ein entwässernder Tee entsteht, wenn die getrockneten Blätter mit kochendem Wasser übergossen werden. Nach etwa 10 Minuten kann das Getränk durch ein Sieb gegeben und genossen werden. Für eine Kur sollten täglich drei bis vier Tassen getrunken werden.

Die Brennnessel als Nahrungsmittel

Auch als Nahrungsmittel kann die Brennnessel auf eine lange Tradition zurückblicken. Da sie unter anderem einen hohen Anteil an Protein enthält, eignet sie sich als Grundnahrungsmittel, war jedoch nie erste Wahl auf den Speisezetteln der Völker. Das mag daran liegen, dass auf die stets in großen Mengen gut und allerorts verfügbare Pflanze vermehrt in Notzeiten zurückgegriffen wurde. So hat die Brennnessel in ihrer Geschichte zwar so manchen Hungertod verhindert, dafür aber mit dem Ruf eines Gemüses für schlechte Zeiten bezahlt. Mit Blick auf ihre Inhaltsstoffe aber auch ihre kulinarischen Möglichkeiten ein Urteil, das ihr nicht gerecht wird.

Brennnesselsuppe
Brennnesselsuppe

Die Brennnessel lässt sich in der Küche auf nahezu gleiche Weise verarbeiten wie Spinat oder Mangold, hat aber bei weitem mehr Inhaltsstoffe und einen etwas herberen, würzigeren Krautgeschmack mit nussigen Akzenten. Damit kann die Brennnessel ähnlich wie die Petersilie auch hervorragend zur Aufwertung oder als Hauptbestandteil von Salaten genutzt werden beziehungsweise als Alternative zu Basilikum in Pestos. Wichtig dabei ist, Blätter zu verwenden, die von 20 bis 30 Zentimeter hohen Pflanzen stammen und vor der Blüte geerntet wurden. Später bekommen sie einen bitteren Geschmack und werden faserig.

Aus den reifen Samen kann zudem ein ausgezeichnetes Speiseöl mit hohem Gehalt an Vitamin E, Chlorophyll und Phytosterinen, dem pflanzlichen Pendant zum tierischen Cholesterin, gewonnen werden. Aufgrund seines intensiven Aromas wird es aber nur beispielsweise mit Olivenöl verdünnt empfohlen.

Außerdem bietet Brennnesselpulver eine ganze Reihe an Verwendungsmöglichkeiten. Naheliegender Weise kann es in grünen Smoothies eine Zutat sein. Es kann aber auch vielen Gerichten wie Eintöpfen und ähnlichem zugesetzt werden, die sich durch ein würziges Aroma auszeichnen. Günstiger Nebeneffekt dabei ist, dass weniger Kochsalz hinzugefügt werden muss. Hier können durchaus auch weitere Gemüse- und Kräuterpulver in Kombination verwendet werden.

Inhaltsstoffe der Brennnessel

Phytosterine – hier als beta-Sitosterin – gehören auch zu den Inhaltsstoffen der Brennnesselblätter. Bekannt ist beta-Sitosterin als Zusatzstoff bei Margarinen und Milchprodukten, in denen sie sich in einem bisher nicht ganz geklärten Prozess günstig auf den Cholesterinspiegel auswirken sollen. Außerdem können die Blätter bis zu zwei Prozent Flavonoide enthalten, darunter auch Quercetin. Dazu kommen bedingt durch die Kieselsäure ein bis vier Prozent Silikate.

Als weitere Mineralstoffe sind nach dem Bundeslebensmittelschlüssel 3.02 unter anderem enthalten:

Dazu kommen pro 100 Gramm außerdem noch:

Bemerkenswert ist auch der hohe Proteingehalt, der sieben Prozent oder 30 Prozent der Trockenmasse deutlich übersteigen kann. Das Protein wird aus allen proteinogenen Aminosäuren gebildet. Essentielle Aminosäuren können rund drei Gramm je 100 Gramm ausmachen.

Brennnesseln im Garten

Beliebt ist die Verwendung von Brennnesseln auch im Garten. Die vielleicht leicht gehäckselten Pflanzen geben bei einer Kaltwasser-Extraktion innerhalb eines Tages ihre Kieselsäure frei. Das Mittel kann zur Pflanzenstärkung und zum Schutz vor vielen Schadinsekten verwendet werden.

Wird eine Brennnessel-Wasser-Mischung im Verhältnis von eins zu zehn an einem warmen Ort platziert, kommt es zu einer Gärung, durch die nach ein bis zwei Wochen eine Jauche entsteht, die auch als Dünger eingesetzt wird. Außerdem kann durch die Üppigkeit des Brennnessel-Wachstums auf den Stickstoffgehalt im Boden und damit aus seine Beschaffenheit geschlossen werden.

Risiken beim Verzehr von Brennnesseln

Ein weiterer Inhaltsstoff der Brennnessel ist das Cumarin Scopoletin. Cumarine sind einerseits äußerst angenehm duftende, aromatische sekundäre Pflanzenstoffe, andererseits jedoch in größeren Mengen verzehrt mit Gesundheitsrisiken verbunden. Sie sind übrigens auch im Waldmeister (Galium odoratum) enthalten und tragen wesentlich zum Charakter der Maibowle bei.

Weitere kritische Stoffe in der Brennnessel sind Pyrrolizidinalkaloide. Sie können wiederum in größeren Mengen und regelmäßig eingenommen zu Leberschäden führen. Bei beiden Stoffen gilt, dass die Konzentrationen in der frischen Brennnessel zu gering sind, als dass beim Verzehr realistischer Mengen Schäden auftreten könnten. Auch getrocknete Brennnesselblätter gelten als unbedenklich, wenn nicht mehr als etwa 12 Gramm täglich verwendet werden. Lediglich Personen deren Herz- und Nierentätigkeit mit Ödemen als Folge eingeschränkt ist, sollten auf die Verwendung von Brennnesseln verzichten.

Die Heilpflanze des Jahres 1996 und 2022!

Die Brennnessel ist übrigens gleich zwei mal zur Heilpflanze des Jahres gewählt worden! 1996 und 2022. Hier haben wir alle bisher gekürten Heilpflanzen des Jahres aufgelistet.


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Frank Schneider
Experte für Heilpflanzen, Tee und Gewürze at Verbena VH Handels GmbH | + posts

Frank hat schon zu Studienzeiten seine Begeisterung für die Natur entdeckt. Anfang der 2000er Jahre ist er seiner Leidenschaft gefolgt und hat mit Krautrausch als Gründer einen der ersten Online-Shops für Kräuter und Gewürze in Deutschland aufgebaut. Als Experte auf diesem Gebiet schreibt er mit großer Freude für unser Kräutermagazin.