Ginsengwurzeln
Ginsengwurzel [leungchopan/stock.adobe.com]

Ginseng – botanisch „Panax Ginseng C. A. Meyer“ – soll angeblich die Vitalität steigern, das Nervensystem stärken und die Hormonproduktion fördern. Darüber hinaus könne er Blutzucker- und Cholesterinwerte senken und die Widerstandskraft gegen Krankheiten erhöhen. Es sind viele positive Eigenschaften, die der seit Jahrtausenden angewandten Heilpflanze nachgesagt werden. Wir nehmen das zum Anlass, den Ginseng, der im Volksmund „Kraftwurz“ genannt wird, an dieser Stelle genauer zu betrachten.

Wo kommt die Pflanze her und wie sieht sie aus?

Wilder Panax Ginseng ist eine langsam wachsende Waldpflanze, ein Araliengewächs mit eingeschränkter Verbreitung. Seine ursprüngliche Heimat sind die Bergwälder Chinas und Koreas. Die Ginsengpflanze entwickelt einen 30 bis 60 Zentimeter langen Stängel. An ihm sitzen langgestielte, ahornähnliche, handförmig geteilte Blätter. Im Frühjahr und Sommer bildet das Gewächs unscheinbare Blüten. Diese sind in Dolden angeordnet und ähneln blühendem Efeu. Aus ihnen entwickeln sich hellrote Beeren. Von der Heilpflanze ist einzig die Wurzel arzneilich verwendbar. Die Ernte der Ginsengwurzel erfolgt nach dem Absterben der oberirdischen Pflanzenteile.

Seit Jahrtausenden ist Ginseng in der chinesischen Heilkunde etabliert

Es steht außer Frage, dass Panax Ginseng eine der populärsten asiatischen Heilpflanzen ist. 3000 Jahre alte Rezepturen belegen die Anwendung von Ginsengwurzeln. Sie waren und sind ein wichtiger Bestandteil der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM). Chinesische Heilkundige nutzten Ginseng, um die Lebensenergie „Qi“’ zu aktivieren und ihre Patienten zu stärken. Eine kräftigende Suppe aus Ginsengwurzeln zählt nach wie vor zu den beliebtesten Hausmitteln. Über ein Jahrhundert geht ins Land, bis ein wild wachsender Ginseng eine rund 12 Zentimeter große, zu Heilzwecken taugende Wurzel ausgebildet hat. Im 19. Jahrhundert galt Ginseng in weiten Teilen als ausgerottet. Aufgrund dessen untersagte Kaiser Tao-kuang das Sammeln der Pflanzen.

Ginsengpflanze mit Beeren
Ginsengpflanze mit Beeren [IgorCheri/stock.adobe.com]

Ein Jungbrunnen für Europas Adel?

Nach Europa gelangte die Heilpflanze im frühen Mittelalter. In Königs- und Aristokratenhäusern feierte Ginseng Hochkonjunktur. Die Wurzel stand im Ruf, Quell ewiger Jugend zu sein, Krankheiten zu heilen, das Leben zu verlängern und die Potenz zu stärken. Selbst der botanische Name „Panax“ zeugt von großem Enthusiasmus: Er setzt sich aus den griechischen Worten „pan“ = „alles“ und „akomai“ = „ich heile“ zusammen. Darüber hinaus beflügelte die ungewöhnliche Form der Ginsengwurzel die Fantasie. Die Gestalt der Wurzel erinnert durch ihre gliedmaßenartige Teilung und den kleinen „Kopf“ am oberen Wurzelende an ein winziges Menschlein. Auf diese eigenartige Form bezieht sich der Begriff „Ginseng“, welcher sich von der chinesischen Vokabel für „menschenähnlich“ herleitet: Panax Ginseng – die allheilende Menschenwurzel.

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Ginseng in der modernen Pharmazie

Wissenschaftlich fundierte Aufmerksamkeit widmeten die Pharmakologen der Heilpflanze erst in neuerer Zeit. Panax Ginseng für die medizinisch-pharmazeutische Anwendung gedeiht heute auf Plantagen, die sich vorwiegend in China, Korea, Japan und Russland befinden. Ginsenganbau ist schwierig und erfordert viel Zeit und Pflege, was die hohen Preise für echte Ginsengwurzeln auf dem Weltmarkt erklärt. Vereinzelt wird Ginseng in Deutschland kultiviert. Die pharmakologisch relevanten Wurzeln des Kulturginsengs erreichen die Erntereife nach fünf bis sieben Jahren. Ginsengwurzel ist wahlweise getrocknet (weißer Ginseng), alternativ dampfbehandelt und anschließend gedörrt (roter Ginseng), erhältlich.

Roter Ginseng
Roter Ginseng [Iarygin Andrii/stock.adobe.com]

Folgende Inhaltsstoffe konnten analysiert werden:

Was sind Ginsenoside?

Ginsenoside sind spezielle Triterpensaponine, wertvolle sekundäre Pflanzenstoffe, welche in der Ginsengwurzel vorkommen. Mittlerweile ist es Forschern gelungen, über 30 Einzelverbindungen zu identifizieren. Der Gehalt an Ginsenosiden ist ausschlaggebend für die pharmakologische Wirksamkeit. Mit zunehmendem Alter der Pflanze steigt der Anteil an Ginsenosiden, die sich zum größten Teil in den Neben- und Haarwurzeln kumulieren.

Welche positiven Eigenschaften konnten den Ginsenosiden attestiert werden?

Der NDR zitiert in einem Beitrag vom 1. Juli 2022 nicht näher genannte kanadische Wissenschaftler, welche der Anwendung von Ginseng die folgenden affirmativen Attribute zuschreiben:

Der Artikel nimmt darüber hinaus Bezug auf nicht näher definierte US-Studien, welche darauf hinweisen, dass Patienten mit Krebstherapien unter Ginsenganwendung besser zurechtkämen. Ginsengpräparate sollen das sogenannte Fatigue-Syndrom, eine Begleiterscheinung vieler Chemotherapien lindern und mit Hilfe von gesteigerter Glückshormon-Produktion das Wohlbefinden steigern.
Abschließend konstatiert der Beitrag des NDR, dass Ginsenoside antibakteriell und antiviral wirken und damit in der Lage seien (vorausgesetzt, ein Präparat enthält mindestens 1,5 Prozent Ginsenoside), chronisch-inflammatorische Prozesse, beispielsweise Rheuma zu dämpfen.

Gemahlene Ginsengwurzel
Gemahlene Ginsengwurzel [Eskymaks/stock.adobe.com]

Was sagen die Medikamentenwächter der Europäischen Union?

Überschwängliches Lob und mythische Verklärung rufen unweigerlich Kritiker auf den Plan. Ist das alles Unfug? Schauen wir uns an, wie sich jene Fachleute positionieren, die für die Zulassung von Arzneien und Therapeutika in Europa verantwortlich sind.

Das HMPC (Committee on Herbal Medicinal Products) der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA (European Medicines Agency) kommt zum Schluss, dass Ginsengwurzel aufgrund der über viele Jahre hinweg erprobten Anwendung zur Behandlung von Müdigkeit und Schwäche eingesetzt werden kann. Langjährige Erfahrung mit einem traditionellen Heilmittel im Sinne der EMA bedeutet: sicherer Einsatz über ein Minimum von 30 Jahren, hiervon mindestens 15 Jahre innerhalb der EU.

Zubereitungen aus Ginsengwurzel sollten gemäß EMA-Empfehlung ausschließlich von Erwachsenen und maximal drei Monate unterbrechungsfrei eingenommen werden. Für seine Beurteilung berücksichtigte das Komitee zahlreiche Tierversuch-Studien. Diese zeigten Effekte auf:

Das HMPC zog darüber hinaus einige klinische Studien in Betracht, die sich mit der Wirkung von Ginsengwurzelpräparaten auf die Gehirnfunktion und die Vitalität der Patienten befassten. Obgleich mögliche günstige Auswirkungen beobachtet wurden, verhinderten Mängel im Studienablauf und widersprüchliche Resultate das Ziehen solider Schlussfolgerungen hinsichtlich des Nutzens für die Behandlung von Müdigkeit und Schwächezuständen. Die Anwendungs“empfehlung“ der EMA basiert ausschließlich auf der traditionell erprobten Applikation.

Die folgenden Nebenwirkungen werden mit der Verwendung von Panax Ginseng assoziiert:

Ginseng aus Sicht der Komplementärmedizin

Wilde Ginsengwurzel mit Beeren
Wilde Ginsengwurzel mit Beeren [IgorCheri/stock.adobe.com]

Die Carstens-Stiftung Natur und Medizin e.V. bezieht sich in einem Artikel in ihrer Mitgliederzeitschrift Natur und Medizin 1/2020 auf eine Bewertung der WHO, welche dem Ginseng einen positiven Einfluss in Krankheitsphasen und während der Rekonvaleszenz zuschreibt. Ginseng sei in der Lage, Begleitsymptome wie Müdigkeit, Erschöpfung und physische Schwächezustände zu lindern. Die Fachleute der Carstens-Stiftung konstatieren darüber hinaus eine Beeinflussung des Immunsystems durch Ginsengextrakte. Diese sollen die Bildung und Ausschüttung

“bestimmter Immunzellen des erworbenen Immunsystems anregen und bewirken, dass so genannte Interferone vermehrt gebildet werden. Dies sind Eiweißverbindungen, die unter anderem eine anregende Wirkung auf das Immunsystem besitzen. Zudem fördern die Inhaltsstoffe beider Ginsengarten (Panax Ginseng und Panax quinquefolius, ein nordamerikanischer Verwandter des Panax Ginseng, Anm. der Redaktion) die Zuckerverwertung im Gehirn. Dadurch steigt beispielsweise die Konzentrationsfähigkeit.”

(Zitat Dr. rer. medic. Nadine Berling-Aumann, Natur und Medizin 1/2020)


Dr. rer. medic. Berling-Aumann empfiehlt im zitierten Artikel, Extrakte aus Ginseng nicht länger als drei Monate unterbrechungsfrei sowie maximal 10 mg pro Tag einzunehmen. Sie begründet ihre Empfehlung mit fehlenden Langzeitstudien.

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Quellen

Dieser Beitrag erschien erstmalig am 30.01.2023 und wurde zuletzt am 20.06.2023 aktualisiert.

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Frank Schneider
Experte für Heilpflanzen, Tee und Gewürze at Verbena VH Handels GmbH | + posts

Frank hat schon zu Studienzeiten seine Begeisterung für die Natur entdeckt. Anfang der 2000er Jahre ist er seiner Leidenschaft gefolgt und hat mit Krautrausch als Gründer einen der ersten Online-Shops für Kräuter und Gewürze in Deutschland aufgebaut. Als Experte auf diesem Gebiet schreibt er mit großer Freude für unser Kräutermagazin.